Michaela Paefgen-Laß

Ein Totentanz für die Opfer

Musikalische Bilder aus dem jüdischen Leben in der Mainzer Synagoge

 Einen kurzen Augenblick herrscht Schweigen im Konzertsaal der Mainzer Synagoge. Der Eindruck von Dimitri Schostakowitschs Klaviertrio e-moll op 67 hallt im Raum nach. „Bilder aus dem jüdischen Leben“, so lautete der Titel des vorangegangenen Konzerts, zu dem die Anni Eisler-Lehmann-Stiftung eingeladen hatte.

Im Zentrum des musikalischen Geschehens stand der Stipendiat der Stiftung, Igor Tsinman. Der aus Russland stammende Violinist wird derzeit an der Mainzer Musikhochschule ausgebildet.

Für das Konzert stellte er ein Programm aus Klaviertrios des 20. Jahrhunderts zusammen, das Motive des jüdischen Lebens und der jüdischen Musik verarbeitet.

Kompositionen, die unter dem Eindruck der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges stehen, können keine leichte Kost sein. Doch Igor Tsinman, Bekhzid Abdullaev (Klavier) und Diego Hernandez Suarez (Cello) zeigten sich durchweg nicht nur als versierte Techniker und bestens aufeinander abgestimmtes Trio. Auch ließen sie sich weder von der komplexen Musik beeindrucken, noch gaben sie sich dem Pathos und dem Sentimentalen hin. Stattdessen setzten sie auf eine gründliche musikalische Auseinandersetzung und saubere Kontextualisierung der Musikstücke.

Auf das Programm stimmten ein, die in den 1920er Jahren entstandenen „Nocturnes“ und „Bilder aus dem Chassidischen Leben“ von Ernest Bloch. Als die Nachrichten der ersten Gräueltaten der Nationalsozialisten die Sowjetunion erreichten, komponierte der aus russisch-jüdischer Familie stammende Mikhail Gnesin 1943 das Klaviertrio „Requiem für unsere verlorenen Kinder“ op 63. Das einleitende Pizzicato in Violine und Cello zeichnet den Gang zu einer Beerdingung nach. Immer wieder flackern einfache kindhafte Motive in den Streicherstimmen auf, die sich gegen das Klavier durchsetzen müssen und schließlich wütend zerrissen werden.

Nach der Pause dann Schostakowitsch. In dem 1944 komponierten Klaviertrio e-Moll, op. 67 trauert er stellvertretend für alle Opfer des Zweiten Weltkrieges um seinen Freund, den Musikwissenschaftler Ivan Sollertinsky. Der erste Satz beginnt mit einem sehr hohen Flageolett im Cello, über das sich tiefe, klare Töne der Geige legen. Der zweite Satz, ein schwindelerregend schnelles Scherzo, gleicht einem zunehmend aufgewühlten Totentanz, der durch abrupte Akkorde beendet wird.

Die Trauer um die Toten findet im dritten Satz, dem Largo, in den tragischen und schweren Klängen des Klaviers ihren Ausdruck. Hoffnung flackert schließlich im vierten Satz auf. Hier verweben sich Geige und Cello nach einer Referenz auf das Thema des ersten Satzes in einem wütenden Militärmarsch, der am Ende durch die Hoffnung machenden finalen Dur-Akkordeüberwunden wird.

( Allgemeine Zeitung Mainz, April 2012)

(Bildnachweis: © Manuel Herz Architekten, Jüdische Gemeinde Mainz)

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Michaela Paefgen-Laß

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