
„Sind die Echt?“
Museen zwischen Authentizität und Edutainment
„Sind die echt?“ Mischt sich Volker Moosbrugger unter die Besucher im Frankfurter Senckenberg Museum, das er als Direktor leitet, ist dies die häufigste an ihn gestellte Frage. Die Antwort darauf ist kniffelig. Denn sind die Dinos in Frankfurt wirklich so echt, wie Super-T-Rex „Tristan Otto“ im Berliner Museum für Naturkunde oder die Römerschiffe in Mainz und was macht Echtheit im Museum überhaupt aus?
Über Museen als Orte des Authentischen wurde in dieser Woche auf der Tagung des Leibniz-Forschungsverbundes „Historische Authentizität“ in Mainz verhandelt. Rund 180 Teilnehmende aus aller Welt konnte das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) als Gastgeber begrüßen. Bei der Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Museum für Antike Schiffahrt wurde schnell deutlich: Echtheit ist relativ und wird zwischen Museum und Publikum verhandelt.
Neues Wissen durch Forschung am Original zu gewinnen, ist die primäre Aufgabe der Leibniz-Forschungsmuseen, zu denen auch das RGZM zählt. Auf die Wissensgenerierung folgt die Wissensvermittlung, die Kommunikation mit dem Publikum. Aber das geht nicht, ohne den Besucher an seinen Erwartungen zu packen und ihm die Grenze zwischen Wissenschaft und Mythos deutlich zu machen. Warum das für Museen eine besondere Herausforderung ist, brachte Matthias Kleiner, Präsident der Leibnitz-Gemeinschaft auf den Punkt. „Eine große Sehnsucht des Mennschen nach dem Originalen durchzieht unsere Zeit.“
Auf dem Podium waren für diesen Trend schnell Beispiele gefunden: Die alten Stadtquartiere etwa, die gerade in Frankfurt und anderen Städten nachgebaut werden. Der Wunsch von Reisenden, echte Authentizität und Ursprünglichkeit in Sehnsuchtsländern zu erleben. Der Tourismus wird damit zum schärfsten Wettbewerber von Museen. Prestige, Charisma und Unterhaltungsfaktor von Ausstellungsobjekten sind die Antwort darauf. Originalität muss nicht zwingend sein.
Helmuth Trischler, Forschungsleiter am Deutschen Museum in München, fand, dass die Aura von Exponaten ihre Betrachter über deren Authentizität entscheiden lasse. Vorausgesetzt, das Objekt sei auf dem Stand des aktuellen Wissens reproduziert. „Am Original wird geforscht“, sagte Johannes Vogel, Generaldirektor am Berliner Museum für Naturkunde. „Unsere Aufgabe ist, den Mythos zu pflegen, aber auch ihn zu dekonstruieren“, fügte Martin Sabrow, Direktor am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung, bei.
Dass bei der Wissensvermittlung der Dino mithilfe einer virtuellen Brille auch mal zum Besucherspaß werden darf, darin waren sich die Diskussionsteilnehmer ebenso einig, wie in der Feststellung, dass Edutainment im Museum nicht zum Freizeitparkerlebnis mutieren darf. Die Glaubwürdigkeit in der Wissensvermittlung sei unbedingt zu sichern, forderte Moosbrugger. Dazu gehöre auch, die Verlockungen der Digitalisierung gezielt zu nutzen. Im internationalen Wissensaustausch, betonte Vogel, sei sie sogar unverzichtbar geworden. Denn sie lasse das Publikum unmittelbar am Forschungsprozess partizipieren.
(Allgemeine Zeitung, März 2016)
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