Feridun Zaimoglu über die Bücher seines Lebens
Wer weit reisen will, aber nicht fliegen mag, sitzt viel in der Bahn. Wer Bücher schreibt, aber keinen Computer möchte, muss auf unbequemen Tasten tippen. Beide Entscheidungen rauben Zeit – oder schenken sie. Je nach Sichtweise. Der neue Mainzer Stadtschreiber Feridun Zaimoglu hat sich für die jeweils ruhigere Gangart entschieden. Und das scheint ihm genau die Freiräume zu verschaffen, die er benötigt, um sich ganz der Sprache hinzugeben und ihren Wert zu verfechten. Viel Bemerkenswertes über den Autor und sein Verhältnis zur Kraft des gedruckten Wortes durfte das Publikum bei der Aufzeichnung der SWR-Sendung „lesenswert“ erfahren.
Zaimoglu brauchte von seiner Stadtschreiberwohnung nur einen kurzen Fußmarsch entlang des Rheines zurückzulegen. „Mainz ist wirklich gut“, verrät er Moderatorin Felicitas von Lovenberg im lockeren Plausch beim Soundcheck. Und dass er Gartenzwerge sammelt. „Die grimmigen, nicht die mit den freundlichen Gesichtern.“ Drei Bücher, die sein Leben prägten, hat Feridun Zaimoglu mitgebracht. Aus allen strotzt die Kraft der Sprache. Und so wie Zaimoglu die Literatur, die andere auf ihren Schreibmaschinen geschrieben haben, mit biografischen Anekdoten aus seinem Leben verknüpft, erlebt das Publikum eine regelrechte Verneigung des Schriftstellers vor der Kunst der ungekünstelten Sprache.
Aufgewachsen im Arbeitermilieu des Münchner Stadtteils Moosach, hat es ihn als Kind regelmäßig in die Bücherei verschlagen. Die Bücher dort eröffneten ihm „eine magische Welt“. Sein Lieblingsband: Die „Bauernregeln, Bauernweisheiten, Bauernsprüche“ von Georg Haddenbach. „Das waren großartige deutsche Worte mit Klang. Eine Sprache, die mir sofort gefiel.“ In der archaischen Stärke der Bauernregeln fand er einen Spiegel für sein Kinderleben im Stadtteil. „Da war eine Welt, die Worte fand, für das, was wir erlebten und wir erleben wollten“.
Jahre später, anderes Buch. Während einer Recherchereise in Budapest waren es Wolf Wondratscheks Gedichte in „Die Einsamkeit der Männer“. Von denen fühlte er sich „beglückt wie ein Kind“. Als Machobuch habe er den Gedichtband nie gelesen. Und überhaupt, was bedeutet das, männlich zu sein? „Keine Ahnung, was das ist.“
Mit dem weniger bekannten Lyriker Thomas Kunst verbrachte Zaimoglu einen Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom. Dessen Gedichtband „Was wäre ich am Fenster ohne Wale“, hat ihn nach einer durchfeierten Nacht umgehauen. „Ich kann keine Gedichte schreiben“, gibt er zu. Umso größer die Begeisterung für den verkannten Poeten Thomas Kunst. „Keine Bastelkunst, keine experimentelle Angeberlyrik, ich war ergriffen.“ (Veröffentlicht. Allgemeine Zeitung Mainz, Februar 2015)